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Wie eine paradoxe Intervention helfen kann, wie sie funktioniert und wo die Fallstricke in der Behandlung von Hypochondrie liegen.
ICD-10: F45.2 hypochondrische Störung
Ärztliche Anlaufstellen: Hausarzt, Psychiater, Psychotherapeut
Die Hypochondrie gehört zu den somatoformen, also körperbezogenen psychischen Störungen. Die Hauptangst der Betroffenen ist es, unter einer schweren körperlichen Erkrankung zu leiden, obwohl die ärztlichen Befunde dagegensprechen. Die Betroffenen nehmen Symptome wahr, die sich medizinisch nicht oder zumindest nicht ausreichend erklären lassen. Das Fehlen einer klaren Diagnose schafft zusätzliche Verunsicherung.
Symptome der Hypochondrie
Patienten mit einer hypochondrischen Störung klagen über körperliche Symptome. Dies sind häufig eher unklare Empfindungen, wie Schluckbeschwerden, Übelkeit, Lymphknotenschwellungen, Schmerzen oder Taubheitsgefühle. Aufgrund dieser Erscheinungen suchen die Patienten zunächst einen Arzt auf, da sie das Vorliegen einer ernsthaften körperlichen Erkrankung vermuten. Gerade weil inzwischen Gesundheitsinformationen online erhältlich sind, werden Symptome im Internet recherchiert, was oftmals darin mündet, dass Patienten auf Berichte von schweren Krankheiten stoßen. Sie vermuten dann, ebendiese zu haben. Die Symptome sind dabei keineswegs eingebildet, sondern werden tatsächlich wahrgenommen. Neben den Beschwerden kommt noch die Angst der Betroffenen dazu, tödlich erkrankt zu sein.
Rückversicherungsverhalten
Diese Sorge führt zu einem Rückversicherungsverhalten; die Patienten suchen einen Arzt auf und lassen die Symptome untersuchen. Die befürchtete Krankheit kann dann durch die Untersuchungsergebnisse nicht gefunden werden. Bei Schmerzen werden beispielsweise entweder gar keine Ursachen gefunden oder nur leichte Abnutzungserscheinungen, die das Ausmaß der erlebten Schmerzen nicht erklären. Die ärztliche Versicherung, nicht an der gefürchteten Erkrankung zu leiden, wirkt kurzfristig beruhigend. Schnell kann es aber zu einem Rückfall kommen, d.h. das erneute Auftreten der Beschwerden lässt die Betroffenen an den Untersuchungsergebnissen zweifeln und führt zu einem weiteren Untersuchungswunsch.
Rücksicherungsverhalten kann Beschwerden verstärken
Ebenso nutzen Patienten ein Rücksicherungsverhalten, indem Sie die betroffenen Körperpartien immer wieder untersuchen. Haben die Patienten etwa den Eindruck, dass Lymphknoten geschwollen sind oder schmerzen, so werden diese beispielsweise häufig betrachtet und dahingehend untersucht, ob die vermeintliche Schwellung zugenommen oder abgenommen hat. Dadurch werden aber auch körperliche Veränderungen bemerkt, die sonst nie aufgefallen wären und wieder Angst machen. Das Selbstuntersuchen verstärkt also die Problematik, weil dadurch auch irrelevante Veränderungen von den Patienten registriert werden. Ebenso werden Schmerzen hinterfragt; die Betroffenen konzentrieren sich auf die schmerzenden Körperareale und versuchen, das Vorhandensein der negativen Empfindungen genau zu analysieren, werden genau dadurch aber immer sensibler für Missempfindungen.
Eine paradoxe Intervention
Das Rücksicherungsverhalten (Body-Checking) der Patienten zu unterbinden oder die Betroffenen dazu aufzufordern, dieses zu unterlassen, ist meistens nicht erfolgreich. Zwar wird in der Verhaltenstherapie das Unterbinden von Sicherheitsverhalten (z.B. das Flüchten aus einer mit Angst besetzen Situation) therapeutisch eingesetzt, aber bei einer Hypochondrie ist der Abstand zwischen dem Verhalten und dessen Konsequenzen zu groß. Denn wenn etwa bei einer Tierphobie der Betroffene dennoch in der Nähe des Tieres ausharrt, kann er schnell feststellen, dass die Ängste ungerechtfertigt waren. Bei einer Hypochondrie ist dies nicht so einfach; die Angst vor einer Erkrankung bleibt auch dann erhalten, wenn das Rückversichern unterbunden wird. Stattdessen wird eine paradoxe Intervention gewählt. D.h. die Patienten werden aufgefordert, das Sicherheitsverhalten besonders häufig zu zeigen. Hat ein Patient etwa mindestens zweimal täglich seinen Blutdruck gemessen, so soll er dies dann 20 mal am Tag durchführen.
Hemmender Effekt
Schnell merken Patienten dann, dass ihr Verhalten nicht nur anstrengend und zeitraubend ist, sondern auch keinen besonderen Einfluss hat, dass also beispielsweise der Blutdruck nicht durch das Messen verändert werden kann bzw. zufällige Schwankungen aufweist. Dieses Übermaß an Kontrollverhalten hat dann einen hemmenden Effekt und führt dazu, dass das Kontrollieren des eigenen Körpers zunehmend weniger wird. Die hohe Bedeutung, die das Body Checking vorher hatte, ist durch die übertriebene Ausführung abgeschwächt worden. Ähnlich können auch andere Sicherheitsverhaltensweisen (z.B. das Abtasten bestimmter Körperbereiche) bewusst übertrieben werden, um eine therapeutische Reduktion genau dieser Verhaltensweisen zu erreichen.
Leidest Du unter Hypochondrie?
Wie äußert sie sich bei Dir? Wurdest Du schon therapiert? Mit Erfolg? Was wurde gemacht?
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» Nebenwirkungen der Psychotherapie
Kurz und verständlich auf den Punkt gebracht. Super!