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Welche neuen Ansätze es in der Behandlung von Zwangshandlungen, Zwangsgedanken und anderen Zwängen gibt und wie sie von Patienten beurteilt werden.
ICD-10: F42 Zwangsstörung
Ärztliche Anlaufstellen: Hausarzt, Allgemeinmediziner, Psychiater, Psychotherapeuten
Zwänge können zu einer großen Belastung für Betroffene werden. Der innere Drang, bestimmte Dinge zu denken oder spezifische Handlungen auszuführen, kann den Alltag beeinträchtigen, aber ebenfalls das Sozialverhalten stören. In der Therapie spielt vor allem die Reaktionsverhinderung eine Rolle. Zusätzlich wird eine neue Technik – die Assoziationsspaltung – angewandt.
Zwangsgedanken und Zwangshandlungen
Unerwünschte Gedanken sind ein Phänomen, das viele Personen betrifft. Einfälle, die unangemessen sind oder nicht zur gegenwärtigen Situation passen, stellen für sich genommen keinen Störungscharakter dar. Kommt es jedoch dazu, dass diese Gedanken, die auch als Intrusionen bezeichnet werden, eine negative Bewertung erhalten, dann können sie häufiger auftreten.
Gedanken unterdrücken?
Denn wenn die Gedanken nicht als harmloses mentales Ereignis angesehen werden, sondern Betroffene versuchen, diese aktiv zu unterdrücken oder zu vermeiden, dann erhalten sie eine höhere Präsenz. Das wird in der Therapie damit veranschaulicht, dass die Patienten erst intensiv an etwas denken sollen (z.B. ein bestimmtes Bild) und den Gedanken daran dann aktiv unterdrücken sollen. Dadurch wird veranschaulicht, dass genau dies nicht gelingt und sich die Gedanken an das vorherige Bild dennoch aufdrängen.
Spannungsgefühl
Viele Patienten reagieren auf das Auftreten der Zwangsgedanken mit bestimmten Handlungen. Die Gedanken gehen mit einem unangenehmen Spannungsgefühl einher und um dieses zu reduzieren, werden Zwangshandlungen begonnen. Wenn sich etwa der Gedanke aufdrängt, dass etwas vergessen wurde, dann reagieren Betroffene darauf mit Kontrollverhalten. Dies kann bedeuten, dass sie immer wieder prüfen, ob das Licht ausgeschaltet wurde oder der Herd abgestellt ist. Schließlich entwickeln sich diffuse Ängste, die sich auf sehr unwahrscheinliche Szenarien beziehen (z.B. den Herdknopf versehentlich im Vorbeigehen berührt und den Herd damit angeschaltet zu haben.). Entsprechende Befürchtungen führen dann zu erneutem Kontrollverhalten.
Verhaltenskontrolle und Reaktionsverhinderung
Patienten sollen in der Therapie lernen, die Wahrscheinlichkeiten für die befürchteten Ereignisse richtig einzuschätzen. So kann etwa probiert werden, ob es wirklich passieren kann, den Herd im Vorbeigehen versehentlich einzuschalten. Zusätzlich werden Patienten daran gehindert, dass Kontrollverhalten auszuführen. Stattdessen soll die unangenehme Spannung, die mit den Befürchtungen einhergeht, ausgehalten werden, bis sie sich von selbst reduziert. Dadurch wird eine Adaption an die Gedanken erreicht, die infolgedessen weniger negativ bewertet werden und deren mentale Präsenz sich daher verringert.
Assoziationsspaltung
Als eine neues Verfahren kann auch die Assoziationsspaltung Anwendung finden. Hier werden Begriffe, die mit angstmachenden Gedanken verbunden sind, ganz bewusst mit neutralen Reizen gekoppelt. Wenn Betroffene bei dem Wort Herd etwa ein einen Wohnungsbrand oder einen Kurschluss denken, dann kann der Herd stattdessen mit anderen Wörtern (z.B. Essen, Schafsherde usw.) verbunden werden. Diese Assoziationen dürfen auch ruhig etwas weiter hergeholt sein. Um sie sich besser einzuprägen, gestalten Patienten etwa Mindmaps, in welche sie die verschiedenen Begriffe und ihre Zuordnungen zueinander aufnehmen. Auch Collagen, Denkspiele und das Einbauen der Wörter in Geschichten haben einen ähnlichen Effekt.
Diese einfache Methode wird von vielen Betroffenen gut aufgenommen, da das Gestalten von Kollagen sogar einen künstlerischen, kreativen Anreiz hat und daher ideal zu gestaltheoretischen Ansätzen oder einer Verhaltenstherapie passt.
Leidest Du unter Zwangshandlungen?
Welche sind das? Bist Du in ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung? Was wurde bisher gemacht? War die Behandlung erfolgreich? Was hast Du in Eigenregie unternommen? Hat es geholfen?
Schreib mir Deine Erfahrungen, Ergänzungen und Fragen – direkt unter diesem Artikel, in den Kommentaren. Du hilfst damit auch anderen Betroffenen.
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baschdi
Ganz im Gegensatz zu Deiner Forderung rät die Leitlinie ganz klar von einer ausschließlich psychotherapeutischen Begleitung ab.
Ich habe die Frage oben ergänzt. Nicht „entweder oder“, sondern „gerne beides“ ist hier die richtige Antwort. Wobei die erste Anlaufstelle in den meisten Fällen ohnehin der Arzt ist.
» Warum Entspannungstechniken auch schaden können
„Bist Du in ärztlicher Behandlung?“
Diese Frage ist dringend zu ergänzen. Sie sollte besser so gestellt
werden: „Bist Du in psychotherapeutischer Behandlung?“! Nach der nationalen Leitlinie zur
Behandlung von Zwangsstörungen ist IMMER eine Psychotherapie indiziert
– und für die Diagnostik und Behandlung von Zwangsstörungen sind
PSYCHOTHERAPEUT/INNEN die ExpertInnen! Viele (somatisch tätige)
ÄrztInnen sind für die Erkennung und Behandlung einer Zwangsstörung oder
anderer psychischer Erkrankungen überhaupt nicht ausreichend
ausgebildet! PsychotherapeutInnen sind laut Psychotherapeutengesetz nur
a) im Bereich der Psychotherapie von Erwachsenen: 1) Psychologische
PsychotherapeutInnen (5-jähriges Hochschulstudium der Psychologie mit
Studienschwerpunkt in Klinischer Psychologie plus mehrjährige
Weiterbildung in Psychotherapie); 2) Ärztliche PsychotherapeutInnen
(Medizinstudium plus im besten Fall mehrjährige Weiterbildung zu
achärztInnen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, im
schlechtesten Fall wenige Stunden Fortbildung in Psychotherapie); b) im
Bereich der Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen: 3) Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen ( 5-jähriges Hochschulstudium der
Psychologie mit Studienschwerpunkt in
Klinischer Psychologie oder
der Pädagogik/Erziehungswissenschaften/Heilpädagogik oder der
Sozialpädagogik plus mehrjährige Weiterbildung in Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie). In ambulanter Praxis tätige FachärztInnen
für Psychiatrie (für Erwachsene) bzw. der Kinder- und
Jugendlichenpsychiatrie beschränken sich neben der Diagnostik (schwerer)
psychischer Erkrankungen fast immer auf die medikamentöse
(Begleit-)Behandlung einer (schweren) Zwangsstörung oder anderer schwerer
psychischer Störungen mit Psychopharmaka; sie sind meist
psychotherapeutisch nicht sehr gut ausgebildet.